
Krautwaschl: Leo nicht Nachfolger des Franziskus, sondern des Petrus
Kein Papst, der in den letzten Jahrzehnten auf einen anderen folgte, glich seinem Vorgänger. Das sagte der steirische Bischof Wilhelm Krautwaschl am Freitagabend im TV-Gespräch "Zur Sache" in ORF III über die Wahl des ersten US-Amerikaners zum Papst. Da habe "jeder seine eigene Mentalität, jeder seinen eigenen Charakter, vielleicht auch seine Besonderheiten in der Theologie - und das ist auch gut so", befand der Bischof. Der aus dem Konklave als Leo XIV. hervorgegangene Kardinal Robert Francis Prevost sei "nicht Nachfolger des Franziskus, sondern er ist Nachfolger des Petrus". Es wäre wohl ein schlechter Rat an den neuen Pontifex, Franziskus nachzuahmen.
Krautwaschl erzählte im Gespräch mit Regina Polak, Pastoraltheologin an der Uni Wien, und dem Vatikan-Kenner und Publizisten Heiner Boberski von einer persönlichen, "berührenden Begegnung" im Vorjahr mit Prevost als damaligem Leiter des Dikasteriums für die Bischöfe. Das Treffen, bei dem es um die - inzwischen erfolgte - Ernennung eines Weihbischofs für die Diözese Graz-Seckau ging, sei alles andere als eine vatikanische Machtdemonstration gewesen. Der Kurienkardinal sei sehr auf den Gast aus der Steiermark und dessen "brüchiges Englisch" eingegangen. "Innerhalb von Sekunden habe ich das Gefühl gehabt, er ist wirklich ganz da und ganz bei mir", berichtete Krautwaschl. Prevost habe sich auch überaus interessiert an der Lage der Kirche in Österreich gezeigt. Er sei "beglückt weggegangen", so der Bischof, "weil ich wirklich das Gefühl gehabt habe: Ich wurde in meinen Fragen gehört."
Auf die Frage von Moderator Wolfgang Geier, ob sich Prevost auch als Papst so kritische Äußerungen zur US-amerikanischen Politik und zur Aussage von Vizepräsident J. D. Vance über notwendige Grenzen der Nächstenliebe leisten könne wie davor als Bischof und Kardinal, meinte Krautwaschl, Leo XIV. werde dafür sicher seinen eigenen Stil finden, "da wird er sicher Zeichen setzen". Dafür seien oft gar keine Worte notwendig, erinnerte Krautwaschl an die eindeutige Botschaft der ersten Reise von Papst Franziskus, die diesen auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa führte. Eine "gestaffelte Nächstenliebe" sei für einen, der aus dem Bettelorden der Augustiner stammt wie der neue Papst, jedenfalls nicht akzeptabel.
Pladoyer für Vielfalt in der Kirche
In Bezug auf innerkirchliche Reformfragen wie den Zölibat verwies der Grazer Bischof auf verheiratete griechisch-katholische Priester. Sie seien Ausdruck einer Vielfalt, "die nebeneinander gelebt wird und nicht zur Spaltung führt". In vielen Bereichen sei man in der Kirche noch nicht so weit, sagen zu können: "Auch wenn es unterschiedliche Ausdrucksformen gibt für den einen Glauben - wir gehören trotzdem zusammen." Die Frage der Grenzziehung und das Risiko einer Spaltung erfordere viel Fingerspitzengefühl. Krautwaschl lenkte den Blick auf die von der Weltsynode eingesetzten Arbeitsgruppen, die parallel zum Enddokument dieser großen Kirchenversammlung diese "heißen Eisen" berieten: "Da wird sich manches ... bewegen und da ist das Diakonissinnenamt dabei."
Brückenbauer notwendig
Einig war sich der Grazer Bischof mit seinen Mitdiskutierenden Polak und Boberski in der Einschätzung, dass der diplomatische Leo XIV. keine Schritte setzen werde, die bestehende Klüfte in der Kirche verstärken. Die Wiener Theologin äußerte die Vermutung, dass Leo die Weichen, die Franziskus gestellt hat, "auch rechtlich in trockene Tücher bringen wird". Leo können ein Reformer in dem Sinn sein, jetzt integrativ innerhalb der Kirche zu wirken, "weil da ja doch durch die letzten drei Pontifikate sehr viel unterschiedliche Gruppierungen und Spannungen entstanden sind". Franziskus sei "vom Typ her innerkurial nicht immer so der große Teamplayer" gewesen, hier könne Leo andere Akzente setzen, so Polak. Er werde den Raum des Zuhörens zwischen den verschiedenen Gruppen weiten und den Prozess der Förderung von Teilhabe - "das nennen wir synodalen Prozess" - innerhalb der Kirche stärken.
Boberski zeigte sich überrascht von der Wahl eines US-Amerikaners. Die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle hätten damit gegen ein ungeschriebenes Gesetz verstoßen, nämlich nicht jemanden zu wählen, der ohnehin im mächtigsten Land der Welt zuhause ist. "Das wird dann womöglich noch vom dortigen Präsidenten, der jetzige wäre ja dafür anfällig vielleicht, reklamiert", meinte der Journalist. Aber im Konklave sei jemand gewählt worden, der Präsident Trump "nicht so zu Gesicht steht". Boberski meinte, mehr die Person als die Nation habe den Ausschlag gegeben; das Herkunftsland USA "wurde in Kauf genommen".
Polak zur zuletzt oft gehörten Rede von Leo als "Anti-Trump": Die große Kunst werde für den neuen Papst nun sein, nicht zu einer weiteren Polarisierung in den USA beizutragen, "das wäre nämlich nicht gut".
Quelle: kathpress